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Applaus vom DFB-Boss

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Für DFB-Boss Wolfgang Niersbach rückt diese syrische Flüchtlingsfamilie aus Egelsbach auf ihrem Sofa zusammen.
Für DFB-Boss Wolfgang Niersbach rückt diese syrische Flüchtlingsfamilie aus Egelsbach auf ihrem Sofa zusammen.  ( © Getty Images

Egelsbach - „Ein Slogan muss auch gelebt werden, sonst nützt er nichts. “ Wolfgang Niersbach sagt diese Worte mit Blick auf die Fußball-Initiative „1:0 für ein Willkommen“. Und der DFB-Präsident sagt sie nicht irgendwo, sondern in Egelsbach. Von Timo Kurth

Denn dort besucht der 64-Jährige mit seiner Delegation ein Musterbeispiel sportlicher Integration: Die fruchtbare Flüchtlingsarbeit von SG Egelsbach und Christlicher Flüchtlingshilfe. Wolfgang Niersbach ist gekommen, um sich ein Bild davon zu machen, wie Flüchtlinge in Egelsbach leben und wie es gelungen ist, das SGE-Team „Refugees United“ ins Leben zu rufen. Nach einem Abstecher zur Flüchtlingsunterkunft Im Geisbaum wohnt der DFB-Boss auch einem Kick zwischen der DFB-Werkself und eben jenem Team bei, das sich fast ausschließlich aus Flüchtlingen rekrutiert.

Niersbach kann dabei auf eine ganze Garde prominenter Mitstreiter zählen. Im Schlepptau hat der DFB-Boss Steffi Jones, U21-Nationaltrainer Horst Hrubesch und Eintracht-Legende Charly Körbel. Allen ist es wichtig, für eine offene Willkommenskultur gegenüber Flüchtlingen zu werben. „Die SG Egelsbach zeigt anderen Vereinen, wie die erfolgreiche Integration durch den Sport funktionieren kann“, lobt Niersbach die Initiatoren an diesem Tag mehrfach.

So viel Medienrummel ist das unauffällige Flüchtlingsheim der Christlichen Flüchtlingshilfe (CFEE) normalerweise nicht gewohnt: Als Wolfgang Niersbach am Nachmittag auf dem Gelände eintrifft, tummeln sich bereits die Kamerateams um den Komplex. „Manche Menschen in Egelsbach wissen ja nicht mal, dass es sich hier um eine Flüchtlingsunterkunft handelt. Das ist mit dem heutigen Tag wohl endgültig vorbei“, sagt CFEE-Geschäftsführer Stefan Buckendahl lächelnd in seiner Begrüßung an die DFB-Delegation. Die möchte sich vor Anpfiff das Flüchtlingsheim ansehen – jene Unterkunft, aus der wohl die Mehrzahl der Gegner an diesem Tag stammt.

„Sind Sie sich bewusst, wen Sie eigentlich herausgefordert haben?“, fragt Refugees-Betreuer Georg Rademacher den DFB-Boss grinsend. „Unser Team besteht aus internationalen Top-Kickern. Kopfballwunder, Passgeber und blitzschnelle Stoßstürmer – wir haben wirklich alles dabei!“ Niersbach zeigt sich daraufhin ehrfürchtig, blickt auf seine eigenen Kicker und entgegnet solidarisch: „Ich tippe auf ein Unentschieden – 4:4.“

Spiel als Höhepunkt

Besagtes Flüchtlingsteam steht derweil vollzählig auf dem Hof der Unterkunft, um die prominenten Besucher ebenfalls zu begrüßen. „Wir wollten beim CFEE schon lange derartige Sportmöglichkeiten für Flüchtlinge schaffen“, erklärt Betreuer Thomas Geiß. „Dass es jetzt mit einem solchen Erfolg geklappt hat, freut uns riesig. Das Spiel heute ist für uns ein Höhepunkt dieser Geschichte.“

Vor einem Dreivierteljahr kam das Team der SGE-Refugees erstmals zusammen. Angestoßen durch das Projekt „Sport und Flüchtlinge“ der hessischen Sportjugend trafen sich die Jungen und Männer im Alter zwischen 15 und 50 Jahren erstmals zum Mitternachtskick auf dem SGE-Sportplatz – jeder aus einem anderen Herkunftsland und mit anderen Bildern von Leid und Flucht im Hinterkopf. Rademacher erinnert sich noch gut an anfängliche Sprachbarrieren: „Wenn keiner die Sprache des anderen kann, müssen erstmal ein paar Dinge geklärt werden.“ Was bedeutet Ball auf Arabisch oder gar Schiedsrichter auf Afghanisch? „Wir haben im ersten Training alles auf Flipcharts geschrieben, um diese sprachlichen Hürden zu überwinden.“ Das Angebot wurde ausgezeichnet angenommen und aus dem Dutzend Teammitgliedern wurden mit jedem Training mehr. „Mittlerweile ist das Training für viele zum großen Highlight der Woche geworden. Viele Freundschaften haben sich gebildet, Sport schafft eben exzellente Verbindungen“, fasst Thomas Geiß zusammen. Dass nicht zuletzt die SGE profitiert, wird ebenfalls deutlich: „Einige Flüchtlinge haben es bereits in die Herren- und Jugendmannschaften der Sportgemeinschaft geschafft“, berichtet Geiß. Für weibliche Flüchtlinge haben die Kooperationspartner mit einer Gymnastikgruppe ebenfalls ein Sportangebot ins Leben gerufen.

Als um 17 Uhr auf dem SGE-Sportgelände schließlich der Ball rollt, zählt schnell nur noch der Sport. „Das ist doch das Schöne am Fußball: Egal welche Hautfarbe ich habe, egal welcher Nationalität oder Volksgruppe ich angehöre. Jeder kann sofort mitspielen“, fasst Niersbach das Geschehen zusammen. 4:2 für die DFB-Werkself heißt das Ergebnis bei Abpfiff, was angesichts der symbolischen Bedeutung der Partie natürlich nur eine Randnotiz ist. „Fußball kann Dinge verändern – und dieser Verantwortung stellt sich der DFB. Die Flüchtlingsproblematik wird keine Eintagsfliege, sondern unsere Gesellschaft langwierig fordern. Die Vereine müssen darauf eingestellt sein“, findet Niersbach deutliche Worte. Der DFB hat in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung deshalb eine Broschüre herausgegeben. Unter dem Titel „Willkommen im Verein – Fußball mit Flüchtlingen“ kann jeder Fußball-Klub Hilfestellung zur Umsetzung und Finanzierung flüchtlingsorientierter Sportangebote erfahren. Damit Teams wie die SGE-Refugees United in Zukunft keine Einzelfälle bleiben.

Wolfgang Niersbach reiste derweil nachhaltig beeindruckt aus Egelsbach ab. Vor allem die syrische Familie, die ihn in ihrem Wohnzimmer empfing, wird ihm in Erinnerung bleiben: „Das war für mich hochemotional, das so hautnah erleben zu dürfen. Die Jungen spielen Fußball und sprechen schon ein ganz tolles Deutsch, obwohl sie erst im Februar 2014 nach Deutschland gekommen sind“, sagte er in einem Interview mit dem Sportsender Sky Sport News HD. „Sie sagen schon ,wir sind Weltmeister geworden‘, denken und fühlen bereits als Deutsche. Das ist genau das, was wir uns beim DFB wünschen: Eine Integration, die reibungslos und geräuschlos funktioniert. Das war ein Beispiel, das bei mir total positiv hängen geblieben ist.“

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