Vorstellung der Wohnprojekte

„Menschenwürdiges Wohnen heißt – für mich und die meisten von uns – Leben in Privatatmosphäre und Rückzugsmöglichkeiten. Für Flüchtlinge bedeutet menschenwürdiges Wohnen aber auch zwischenmenschlicher Kontakt, denn sie sind besonders auf offene und hilfsbereite Nachbarinnen und Nachbarn angewiesen“

 

Erstes Wohnprojekt

……ein neuer Anfang für zwei Familien

In unserem ersten Wohnprojekt lebten seit Anfang 1990 eine türkische und eine iranische Familie, jede in einer Wohnung. Bevor das Haus bezogen wurde, luden wir die Nachbarschaft zu Gesprächen ein und informierten sie über das Projekt. Befürchtungen und Ängste gegenüber den „Fremden“ konnten so im Vorfeld abgebaut werden. Viele Bürgerinnen und Bürger boten ihre Hilfe an und haben so mit zum Gelingen des Projekts beigetragen. Durch Möbelspenden konnten die Wohnungen individuell eingerichtet werden. Beide Familien lebten vorher jeweils in einen Raum über mehrere Jahre hinweg in den meist überfüllten Sammelunterkünften teilen. Besonders die Kinder litten unter der dort ständig herrschenden Unruhe und der drangvollen Enge. Nun gab es wieder ein Familienleben. Schon kurz nach dem Einzug trafen sich die Nachbarn mit den neuen Familien. Die Zusammenarbeit mit der Gemeinde Egelsbach, die das Projekt von Anfang an ideell und finanziell unterstützt, erleichterte die Arbeit der Christlichen Flüchtlingshilfe.

 

Zweites Wohnprojekt

 ……zwei weitere Familien haben eine neue Bleibe gefunden

In einem ehemaligen Vereinshaus der Gemeinde Egelsbach renovierten, tapezierten und möblierten drei Monate lang die Handwerker, freiwillige Helfer und Asylbewerber. Dann endlich konnten zwei Familien aus Pakistan mit ihren Kindern in „ihr Haus“ einziehen.

Bei der Einweihung mit Politikern und Freunden zeigte sich, wie froh die Familien waren, nach zwei Jahren Enge in der Unterkunft „Im Wildpark endlich eine eigene Wohnung zu haben. Mehr Ruhe und Entspannung kehrte zurück. Der Tag gestaltete sich familiengerechter. Die Kinder, die in großen Unterkünften unter Verhaltensauffälligkeiten und Schulproblemen litten, schliefen wieder besser und wurden ausgeglichener. Die Frauen entwickelten ein neues Selbstbewusstsein im „eigenen Reich“. Nach anfänglicher Unsicherheit in der Nachbarschaft breitete sich Normalität aus.

Durch die Bereitschaft der Kommune adäquaten Wohnraum zu schaffen, erfahren Flüchtlinge, dass es Verständnis und Hilfsbereitschaft für sie geben kann.

Mittlerweile wurde das Haus wegen Kündigung des Vertrags durch den Kreis aufgrund der damals sinkenden Asylbewerberzahlen geschlossen, genau wie das Haus Woogstraße. Die dort lebenden Familien haben Privatwohnungen gefunden und führen ein selbstgestaltetes Leben. Sie haben sich wohlgefühlt. Ohne die Hilfe der Gemeinde wäre es nicht dazu gekommen. Wir danken für die Überlassung dieses Hauses über einen so langen Zeitraum.

 

Drittes Wohnprojekt

......die tatkräftige Umsetzung einer Idee

Die Schaffung menschenwürdigen Wohnraums war von je her ein wesentliches Anliegen der Christlichen Flüchtlingshilfe. Obwohl die gesetzlichen Auflagen und die Angst vor dem ungewissen Ausgang des Asylverfahrens auch die Menschen in unseren Projekten belastet, so sind sie doch durch ihre selbstbestimmte Lebensführung eher in der Lage ihr Fluchtschicksal so zu verarbeiten, dass die psychische Belastung nicht verstärkt wird durch widrige Lebensumstände in den Sammelunterkünften in Deutschland. Auch wir haben diesen Unterschied deutlich bemerkt, denn wir haben die Flüchtlinge in der Unterkunft Wildpark, einer seit 1995 belegten sehr engen Unterkunft mi 50 Personen am Ortsrand, als Flüchtlingshilfe in enger Kooperation mit dem Arbeitskreis Flüchtlinge betreut.

Das auf engem Raum erzwungene Zusammenleben der Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen mit völlig unterschiedlichen Lebensgewohnheiten führte häufig zu Spannungen. vier Kochstellen und drei Sanitäreinrichtungen mussten sich alle 50 Personen teilen. Schon die Bewältigung des „normalen“ Alltags kostete viel Kraft, denn jeder und jede Einzelne musste täglich ein sehr hohes Maß an Rücksichtnahme für die Anderen aufbringen, um Konflikte zu vermeiden. Neben dieser Alltagsbewältigung gab es das Zurechtfinden im fremden Land, die Belastungen aus den Fluchtschicksalen, dem Verlassen der Heimat aus Zwang vor Verfolgung und drohender Inhaftierung und Folter.

In dem Wohnprojekt, das im April 1995 realisiert wurde, konnten wir unser Ziel, die Auflösung der Sammelunterkunft Wildpark, endlich realisieren. Menschenwürdige Unterbringung, selbstbestimmte Lebensführung und sozialpädagogische Begleitung konnten umgesetzt werden. In fast ausschließlich ehrenamtlicher Arbeit und mit finanzieller Unterstützung der Kirchen, des Landes Hessen und mit Eigenkapital konnte das Haus fertig gestellt werden.

In der Unterkunft leben insgesamt 32 bis maximal 42 Personen, Familien und Einzelpersonen, manchmal auch Unbegleitete Minderjährige über 16 Jahre. Die früheren „Wildparkbewohner“ sind inzwischen alle ausgezogen, neue Flüchtlinge zugewiesen. Die Belegung ändert sich immer wieder.

Vier bis sechs Personen teilen sich eine Wohneinheit, die über Küche und ein Bad verfügen. Weiterhin gibt es einen Gemeinschaftsraum, eine Waschküche und Abstellräume. Das Büro, Anlauf- und Beratungsstelle der Sozialpädagoginnen, befindet sich im Erdgeschoss. Flüchtlinge aus dem Haus, aus Egelsbach und auch von weiter her können sich hier beraten lassen, Nachbarn und Freunde schauen vorbei, andere kommen, um sich über unser Projekt zu informieren. Durch die vielen Kontakte können Ängste und Vorbehalte angesprochen werden, das ist uns ein wichtiges Anliegen.

Nach unseren Erfahrungen gestaltet sich das Zusammenleben verschiedener Nationen in der neuen Unterkunft entspannter und konfliktfreier, als in anderen großen Sammelunterkünften.

Durch die zentrale Lage sind Schulen Kindertagesstätten, Rathaus, Ärzte, Geschäfte, Sportangebote schnell und einfach zu erreichen. In persönlichen Begegnungen bekommt „der fremde“ ein Gesicht, hat einen Namen und wird als Mensch gesehen. Die gegenseitige Akzeptanz kann so trotz unterschiedlicher Sprache und Kultur wachsen. Das isolierte Dasein und Leben in einer Sammelunterkunft am Rande einer Kommune weicht einer aktiven Teilnahme am Leben in der Gemeinde und mit Freunden. Normalität prägt den Alltag, neuen Perspektiven können sich entwickeln und Alltagsfragen selbstständig gelöst werden.